Vera ist eine taffe Frau. 40 Jahre, Juristin, Mutter dreier Söhne. Mehr als ein Jahrzehnt arbeitete sie als Oberamtsanwältin, bevor sie sich entschied, noch einmal umzusatteln. Polizistin werden, eine Ausbildung für den höheren Dienst machen. Und nun ist da dieser Moment, der sie sichtlich überwältigt und zu Tränen rührt. Frisch eingekleidet, steht sie vor dem Spiegel im Polizeibekleidungscenter der Polizei NRW in Lünen. Zum ersten Mal in Uniform! „Ich fühle mich wie Charlie in der Schokoladenfabrik! Es ist verrückt. Das ist nun wirklich meine neue Welt!“, sagt sie.
Zwei Staffeln mit 16 Folgen sind inzwischen von „Team 110 – Die Serie“ auf dem YouTube-Kanal der Polizei NRW zu sehen. Szenen aus dem Alltag der Polizei, gezeigt aus der Perspektive junger Menschen, die auf unterschiedlichste Weise ihren Weg zur Polizei NRW beschreiben. Ganz nah dran, authentisch, informativ und manchmal auch anrührend. Es geht um Hausdurchsuchungen, Verhöre, Drogenfunde, Unfälle, Vermisste sowie häusliche Gewalt. Es geht um Kira und Vincent, um Florian und Vera oder die Zwillinge Laura und Lisa, zwei Kommissaranwärterinnen, die Spitzensport mit Studium verbinden. Gedreht ohne Skript und ohne Filter.
„Die Idee ist etwa 2019 auf einem Workshop mit Influencern entstanden“, erklärt Julian Kösters, der als Projektleiter der Landeszentralen Personalwerbung für die YouTube-Serie verantwortlich ist. Damals ging es um die Frage, ob Influencer helfen könnten, junge Menschen für den Polizeiberuf zu gewinnen. Herausgekommen ist dann dieses Format, in Zusammenarbeit mit der Produktionsfirma „Warner Bros. Television“.
Der heute 40-jährige Kösters entwickelte das Konzept und startete ein Casting unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Polizei in Nordrhein-Westfalen. Gesucht wurden Kommissaranwärterinnen und -anwärter, gestandene Kollegen, Dozenten und Lehrkräfte, die sich im Alltag des Studiums begleiten lassen wollten. Bei der Theorie, im Training, in der Praxis. Spontan meldeten sich insgesamt 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei NRW für die nebenberufliche Schauspielerei vor der Kamera.
„Wir hatten schon erste Erfahrungen mit der Podcast-Reihe ‚Kommissar Danger‘ gemacht. Aber ‚Team 110‘ sollte anders funktionieren, es sollte nicht um die Vorstellung einzelner Einsatzbereiche der Polizei NRW, sondern um die Menschen gehen“, erklärt Julian Kösters. Und die Menschen stehen tatsächlich absolut im Vordergrund.
Menschen wie Vera, die mit ihrer Lebenserfahrung als Oberamtsanwältin einen so empathischen wie resoluten Auftritt hat, wenn es etwa darum geht, an der Wohnung eines streitenden Ehepaares zu klingeln und die Situation zu klären. Wieso blutet die junge Ehefrau? Tatsächlich, wie sie behauptet, eine harmlose Verletzung? Oder liegen doch die Nachbarn richtig, die die Polizei zur Hilfe gerufen haben, weil es wieder mal laut nebenan gewesen ist? Nur ein Rollenspiel während Veras Ausbildung. Doch die Fragen, die Vera stellt, erlauben der verletzten Ehefrau bald kein Ausweichen mehr. Und am Ende der Rollenübung wird gemeinsam analysiert: Wie hat Vera die Situation bewältigt? Was hätte sie mehr tun können? Wie sieht sie selbst ihren Einsatz?
Der Alltag im Studium. Die Kamera von „Team 110“ begleitet die Kommissaranwärterinnen und -anwärter vom Unterricht über den Einsatz im Streifenwagen bis hin zu ihrer Vereidigung. Beim Judo, beim Fahrtraining, bei der ersten Verkehrskontrolle. Sie besucht Justin, der sich im zweiten Jahr seiner Ausbildung zum Fachinformatiker für Systemintegration im Duisburger Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW (LZPD NRW) befindet, einen IT-Nerd, der sagt, er habe bei der Polizei seinen „absoluten Traumberuf“ gefunden. „Justin geht damit ganz offen um, deshalb können wir das sagen. Er ist Autist und hat sich unter anderem durch die Arbeit bei der Polizei tatsächlich selbst gefunden“, erklärt Julian Kösters.
Auch Thomas Söffken, Digitalisierungsexperte, hat erst mit 35 Jahren den Polizeiberuf für sich entdeckt. Seit drei Jahren studiert er Verwaltungsinformatik als RIA IT bei der Polizei NRW und kann so Verwaltung mit seinem Interesse für IT verbinden. „Diese Kombination gibt es außerhalb der Polizei nur selten“, sagt Söffken. Bei „Team 110“ kann man ihn erleben, wie er das Innovation Lab der Polizei in Duisburg besucht und „Spot“, den Roboterhund für brenzlige Einsätze, kennenlernt.
Eine dritte Staffel für die Serie ist bereits angedacht. Vera, die ehemalige Oberamtsanwältin, wird dann sicher schon ihre Ausbildung beendet haben. Sie wird bei der Polizei Führungsaufgaben übernehmen und ist sicher: „Ich bin Polizistin geworden, weil ich in meinem Beruf das Richtige tun möchte.