Senior sitzt mit Handy am Ohr in einem Wohnzimmer auf dem Sofa und fasst sich mit der freien Hand an den Kopf. Er ist offensichtlich erschrocken.
Interview eines Schockanrufopfers
Das Telefon klingelt. Nichts Böses ahnend nimmt H. das Gespräch entgegen. Was dann folgt, wird zum Alptraum für den Senior und seine Frau. Die beiden haben einen Schockanruf erhalten. Was dann passierte, erfahren Sie hier.
Stefan Pusch

Ich war panisch und konnte keinen klaren Gedanken fassen – Interview mit einem Schockanrufopfer

Wir haben immer wieder auch über die sozialen Medien vor Schockanrufen „Falsche Polizeibeamte“ gewarnt.

 

Ein Beinahe-Opfer möchte helfen!

Nun erreichte uns die Bitte einer Frau, die zusammen mit ihrem Mann fast Opfer eines solchen perfiden Betruges wurde. Das Ehepaar möchte helfen und andere potenzielle Opfer warnen. Die Frau schilderte uns eindrucksvoll, wie die Täter vorgegangen sind und was dies bei ihr und ihrem Mann ausgelöst hatte.

Wir lesen im Rahmen unserer Warnaufrufe immer wieder in den Kommentaren Dinge wie „Da kann man doch nicht drauf reinfallen“, „Wie naiv muss man sein“ und so weiter.

Von unseren Ermittlern wissen wir aber: Die Täter gehen höchst professionell vor und setzen ihre Opfer psychisch unter Riesendruck.

Wir wollen dem Wunsch der Frau gerne nachkommen und einmal auf diesem Weg nachvollziehbar machen, wie die Täter vorgehen und was das bei den Opfern auslöst. 

 

Was war passiert?

Mitte Mai erhielt der Ehemann der Seniorin, die beiden stehen mit beiden Beinen voll im Leben, einen Anruf, den beide so schnell nicht vergessen werden.

Von der Stimme her unverkennbar ist ihre Tochter (eine KI könnte sowas möglich machen) schluchzend und weinend am Telefon. Sie sagt, dass sie einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht habe. Eine Frau sei dabei ums Leben gekommen, sie hinterlasse einen Mann und zwei kleine Kinder. 

Die Tochter ist offensichtlich völlig am Ende.

 

„Wie vor den Kopf geschlagen!“

Ihr Vater ist an dem anderen Ende der Leitung völlig paralysiert, wie vor den Kopf geschlagen. Er ruft seine Frau hinzu.

Das Gespräch wird anschließend von einer angeblichen Polizeibeamtin übernommen. 

Man setzt beide Senioren sofort unter Druck; die betroffene Unfallopferfamilie wünscht keine Öffentlichkeit. Der eigenen Tochter droht eine Haft, wenn keine Kaution beigebracht werden kann. Sie als Eltern seien die größte Hoffnung für ihre Tochter in dieser schlimmen Situation. Die Tochter ginge es gesundheitlich schlecht, sie sei geschockt und stehe kurz vor dem Zusammenbruch.

Während des weiteren Anrufs kommt immer wieder die Tochter kurz ans Telefon, sagt, dass es ihr völlig schlecht ginge.

 

„Wir waren hilflos, immer panischer!“

Die beiden Senioren fühlen sich hilflos und lauschen weiterhin der „Beamtin“.

Letztlich klärt die vermeintliche Polizistin die Vermögenssituation der Senioren ab und das Ehepaar macht sich auf dem Weg zur Bank, um eine hohe Bargeldmenge abzuheben. Während der ganzen Zeit wird das Telefongespräch durch die „Beamtin“ aufrechterhalten. Man weist immer wieder auf die datenschutzrechtliche Verschwiegenheit hin und droht bei Missachtung mit empfindlichen Strafen, auch, als die Seniorin mit ihrem eigenen Handy parallel zu dem Telefonat Termine absagen möchte.

„Neben kostenintensiven Strafen würde zudem das Kautionsverfahren kippen und ihre Tochter müsse in Haft“, wird den beiden angedroht.

 

„Es gibt nur den beherrschenden Gedanken: Wie kann ich meinem Kind da raus helfen“!

In der Situation schafft man es nicht, einen klaren Gedanken zu fassen. Es gibt nur den beherrschenden Gedanken, der Tochter aus dieser Lage zu helfen.

Zwischenzeitlich übernahm ein vermeintlicher Staatsanwalt das Telefonat von der „Beamtin“ Den Eltern wurde aufgetragen, das Gespräch während des Bankaufenthaltes aufrecht zu erhalten, damit man den Abhebevorgang gegenüber dem Richter später dokumentieren könne. Außerdem dürfe in der Zeit kein weiteres Handy betrieben werden, weil dies zu Störungen bei der Übertragung und damit der Dokumentation führen könne. Wenn sich die Senioren korrekt verhalten würden, könne die Tochter noch nachmittags entlassen werden.

Der Bankmitarbeiter wunderte sich über die hohe Abhebesumme und fragte noch nach, ob alles damit in Ordnung sei. Aus Angst, das Kautionsverfahren zu gefährden, bejahten dies die beiden.

Nachdem man das Bargeld hatte, erfolgten Anweisungen per Handy, wo man nun hinfahren sollte. Ein erneuter Versuch, parallel Kontakt mit dem Handy der Frau zur Polizei in Kreuztal aufzunehmen, fiel wieder auf und es erfolgte sehr massiv die Rüge und der erneute Hinweis auf das Fehlschlagen der Freilassung der Tochter.

 

Mittlerweile hatten wir regelrecht Panik – wir wollen nicht am Unglück unserer Tochter schuld sein!“

„Das verursachte regelrechte Panik bei uns. Schon wieder hatte die Gegenseite unseren Versuch mitbekommen. Zum einen stärkte dies die Glaubhaftigkeit, denn wer sollte sonst die Möglichkeit haben, das zweite Gespräch mitzubekommen und abzubrechen (die Kontaktaufnahme brach tatsächlich ab), zum anderen wollten wir unter gar keinen Umständen schuld daran sein, dass unsere Tochter nicht freikommt.“

 

„Vermeintliche Tochter droht den Eltern mit Selbstmord, weil diese sie im Stich lassen!“

Das Paar fuhr daher zum angegeben Übergabeort weiter. Das Telefonat lief immer weiter, aber es tauchten mehr und mehr Ungereimtheiten auf. Es dürfe nicht wie gewünscht ein Polizeibeamter bei der Übergabe zugegen sein, eine Quittung könne erst 10 Minuten nach Geldübergabe ausgehändigt werden, da das Geld erst gezählt werden müsse, der vermeintliche Staatsanwalt sprach teilweise in schlechtem Deutsch.

Immer wieder drohen die Betrüger, das Verfahren abzubrechen, werfen Ausländerfeindlichkeit vor wegen der angezweifelten Sprachkenntnisse), um das schlechte Gewissen zu erhöhen. Zum Schluss kommt sogar die „Tochter“ wieder ans Telefon und droht mit Selbstmord, wenn sie nun im Stich gelassen würde.

 

„Wir sind durch die Hölle gegangen!“

Das Ehepaar geht während dieser Zeit „durch die Hölle“. Letztlich gelingt es trotz aller Drohungen, dass die Tochter über das zweite Handy angerufen werden kann und diese bestätigt, dass es ihr gut ginge und sie nicht in einen entsprechenden Sachverhalt verwickelt sei.

Auch wenn in diesem Moment eine Tonnenlast von den Senioren abfällt, sind sie völlig fertig.

„Noch Tage und Wochen später lässt uns das Ganze nicht los. Es war und ist einfach furchtbar und das aufkommende Panik- und Ohnmachtsgefühl stellt sich wieder ein.

Natürlich haben wir schon vorher von derartigen Anrufen gehört, aber in dieser Situation meint man, man dürfe sich keine Zweifel leisten. Es geht schließlich um das eigene Kind.“

 

DDie miesen Betrüger „spielen“ mit den Gefühlen der Opfer!

Es ist was völlig anderes, ob man von solchen Betrügereien etwas hört oder ob man selber plötzlich mitten in einer solchen Situation mit allen Ängsten und Gefühlen drinsteckt.

Wir möchten den Wunsch der Beiden, andere davor zu warnen und den vorgenannten Unterschied deutlich zu machen, gerne erfüllen.

Daher haben wir diesen Artikel zusammen mit den Beiden erstellt.

 

Unser Ziel: den Betrügern das Handwerk legen und potenzielle Opfer schützen!

Denn die Betrüger nutzen gerade diese Ängste und Ohnmacht schamlos und perfide aus.

Und oftmals höchst professionell. So hatten wir unter anderem einen pensionierten Professor als Opfer eines Betrugsanrufes, der aber noch an einer Hochschule dozierte.

 

Bitte helfen Sie uns!

Daher bitten wir darum: Teilen Sie den Beitrag (wir haben in Facebook einen entsprechenden Beitrag gepostet), sprechen Sie in der Familie darüber. Nehmen Sie diese Sachverhalte nicht auf die leichte Schulter.

Helfen Sie uns, dass möglichst keiner auf diese schlimmen Betrügereien hereinfällt und / oder lange Zeit keine Ruhe mehr findet.

Wir wünschen dem betroffenen Seniorenpaar und ihrer Familie alles Gute und hoffen, dass die Unsicherheit und die Ängste bald nachlassen. 

Und für allen anderen: Passen Sie auf sich und Ihre Liebsten auf. Warnen Sie, machen Sie auf die Gefahr aufmerksam!

Erst gestern ist wieder eine Seniorin aus unserem Kreisgebiet auf die Betrüger hereingefallen und hat den finanziellen Schaden und die psychische Belastung.

In dringenden Fällen: Polizeinotruf 110